Experimentelle Gestaltung

Ohne klare Vorgaben und Einschränkungen zerläuft sich eine kreative Arbeit gerne bis zum generischen Standard. Ohne definierte Grenzen verselbständigt sie sich oder sucht sich den Weg des geringsten Widerstands. Wer sich beim Gestalten keinen Rahmen setzt erklärt seine Arbeit als vogelfrei.
Die Tendenz Probleme in einer uns schon bekannten, eingeübten Weise zu lösen, hindert uns immer wieder, andere, möglicherweise bessere Lösungen zu finden, also im eigentlichen Sinne kreativ zu werden. Manchmal hilft ein systematisches Vorgehen dabei, diese funktionale Fixierung – wie ein solches Phänomen in der Psychologie bezeichnet wird – zu überwinden. Wenn es über ein reines Nachdenken nicht gelingt, muss eine Möglichkeit gefunden werden, diese einstudierten Wege zu verlassen. Denn letztlich gilt es in der Kunst – ebenso wie in der Wissenschaft – aus herkömmlichen Ordnungssystemen auszubrechen, diese innovativ zu überwinden und gegebenenfalls neue Wege, Ansätze, Methoden oder Werkzeuge zu erfinden. „Gerade in solchen Fällen sind Versuchsaufbauten und Systematiken ausgezeichnete Hilfsmittel. Sie laufen folgerichtig nach Gesetzmäßigkeiten oder zuvor festgelegten Programmen ab und generieren so Varianten, die intuitiv nicht gewählt würden. Bekannte Lösungswege werden zwangsläufig verlassen, und was zunächst wie eine Einengung der Kreativität aussieht, stellt sich als deren Erweiterung heraus, die das Potential zu überraschenden Ergebnissen hat.“
„In den sogenannten kreativen Berufen ist das Vorgehen mithilfe eines Versuchsaufbaues, einer experimentellen Untersuchung, eher unüblich. Dem Unkalkulierbaren, dem genialen Einfall wird meist übergroße Bedeutung zugemessen. Der Begriff experimentell wird in der Gestaltung immer wieder, insbesondere von Studierenden, gleichbedeutend mit Herumprobieren verwendet. Dabei gerät man leicht in die Nähe der Beliebigkeit, des ziellosen Herumirrens. In der freien Kunst wiederum wird experimentell häufig in dem Sinne verwendet, dass es sich um Arbeiten handelt, die sich außerhalb der Bewertbarkeit, der Messbarkeit befinden. Hier gerät man in den Bereichen radikaler Subjektivität, die sich aller Bewertungsmaßstäbe entziehen will.“ Demgegenüber verwendet experimentelle Geststaltung nach dem Verständnis von Lindauer/Müller, ähnlich wie ein wissenschaftliches Experiment, ebenfalls einem Versuchsaufbau und eine Versuchsreihe als Instrument und Methode.

vgl. Lindauer, A. , Müller, B. (2015): Experimentelle Gestaltung. niggli, Salenstein: 17 f

vgl. Loesch, U. (2015): „Bitte umblättern“.
In: Lindauer/Müller 2015: 7

LINDAUER/MÜLLER 2015: 17 f

LINDAUER/MÜLLER 2015: 16